Schwestern und Brüder im Herrn,
der Apostel Thomas, wie gut, dass es ihn gibt, diesen Thomas! Thomas, das ist eine wichtige Seite in jedem und in jeder von uns. Wenn Jesus den Tod besiegt hat und auferstanden ist, dann will Thomas das sehen und fühlen, berühren!
Wir können uns ruhig in die Person des Thomas gut hineinversetzen, weil auch uns oft der Zweifel plagt. Wie oft wünschen wir uns solche Beweise oder selbst bei solchen Erscheinungen dabei gewesen zu sein. Wie gerne würden wir Jesus sehen und ihn sogar berühren, um leichter glauben zu können.
Jedes Jahr hören wir am weißen Sonntag das Evangelium vom sogenannten „ungläubigen Thomas“ und fast jede und jeder kann im Schlaf das Wort Jesu aufsagen: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben“.
Thomas war ein wachsamer, hartnäckiger und aufmerksamer Jünger Jesu. Er will sich nicht in die Irre führen lassen. Er will auf dem Boden bleiben.
EIN ZWEIFLER IST KEIN UNGLÄUBIGER. DER GLAUBE UND DER ZWEIFEL GEHÖREN ZUSAMMEN WIE ZWEI SEITEN EINER MEDAILLE. DER ZWEIFEL IST WIE DER ZWILLINGSBRUDER DES GLAUBENS!
DIESE CORONAKRISE BRINGT UNS ZUM ZWEIFELN! WARUM DIESER VIRUS? WARUM SO VIELE TOTE? GOTT WO BIST DU? WARUM KANNST DU NICHT DIESEN VIRUS VERNICHTEN UND DIESER EPIDEMIE SOFORT EIN ENDE GEBEN?
Wer glaubt hört nicht auf zu fragen und zu suchen, ringt wie jeder andere sein Leben lang um Antworten zu finden. Der Zweifel hält den Glauben lebendig!
Thomas kann nicht einstimmen in den Osterjubel. Das Wunder der Auferstehung Jesu ist ihm zu groß und unvorstellbar! Sein Verstand kann das nicht fassen – wie kann das sein? Wie kann Er durch verschlossene Türen kommen? Thomas war nicht dabei. Er will sehen und fühlen.
„Ein Zweifler ist kein Ungläubiger. Viele Zweifel sind noch lange kein Unglaube.“ Kardinal Newmann hat gesagt: Wer Zweifel in sich trägt zeigt, dass ihm der Glaube wichtig ist.
Es vergeht eine ganze Woche. Die längste Woche seines Lebens für Thomas. Was ich ganz bemerkenswert finde, der Thomas trifft sich weiter mit den anderen Jüngern, obwohl er es nicht glauben kann – Jesus ist von den Totenauferstanden! Trotz seinem Zweifel will er weiter dazu gehören und die Jünger trennen sich nicht von ihm.
ZWEIFELNDE GLÄUBIGE HABEN IHREN PLATZ IN DER KIRCHE, IN DER GEMEINDE! DIE KIRCHE IST UND BLEIBT DER ORT, WO WIR UNSERE FRAGEN STELLEN KÖNNEN, UNSERE ZWEIFEL WIETER AUSDRÜCKEN KÖNNEN.
WIR DÜRFEN VON THOMAS LERNEN, ZWEIFEL AUSZUSPRECHEN UND FRAGEN WIRKLICH ZU STELLEN.
Hätte Thomas die Gemeinschaft der Jünger verlassen, wäre er dazu nicht gekommen. Wer sich von der Jünger-Gemeinschaft fern hält, kann ein Erfahrungsdefizit im Glauben haben.
Auch diejenigen, die am Glauben zweifeln, die kritische Fragen stellen, gehören zur Kirche. Sie gehören dazu, wenn sie sich wirklich um Antworten bemühen, wenn ihre Fragen echt sind, ihre Zweifel keine Ablehnung des Ganzen, sondern eine Suche nach dem ganzen Glauben sind.
Weil er seinen Zweifel lebt, ihn nicht leugnet, wird ihm das Geschenk der wahrhaftigen Begegnung zuteil. Thomas ist beschenkt, belohnt: Jesus erfüllt seinen Wunsch, weil seine Barmherzigkeit unendlich groß ist. Es ist ein Geschenk das jedem und jeder von uns zugedacht ist.
Der Zweifler Thomas sinkt Jesus zu Füßen, fällt ihm in die Arme mit dem Bekenntnis: „Mein Herr und mein Gott.“
In der ganzen Bibel gibt es kaum ein tieferes und herzlicheres Bekenntnis! Thomas bekennt das Gottsein Jesu.
Thomas der Zweifler hat dem Glauben und allen die damit Schwierigkeiten haben einen großen Dienst erwiesen, in dem er seine Fragen gestellt hat. Wenn Jesus die kritischen und skeptischen Fragen des Thomas ernst nimmt, sollten wir das auch mit denen unserer Zeitgenossen tun.
Kritische Fragen, eine gehörige Portion Zweifel und die ständige ehrliche Auseinandersetzung mit Zweiflern sind quasi das Salz in der Suppe des Glaubens, damit dieser kein Einheitsbrei wird, der fade schmeckt und zu nichts mehr motiviert.
„Wer glauben will, braucht seinen Denkapparat nicht abzuschalten. Er kann seine Zweifel offen aussprechen und der Herr wird ihm antworten.“ (Helmut Thielicke)
Lassen wir uns wie der Apostel Thomas verwandeln!
Amen.